FREUDE ÜBER FELDLERCHEN

Seit Ende 2022 unterstützt die FEGIME Deutschland als Klimapate die Renaturierung der Felgentreuer Wiesen, ein Moor in Brandenburg. Unser Bericht über die Geschichte der Moornutzung, aktuelle Entwicklungen und Erfolge stammt von Axel Peters, der am Rande eines bekannten Moores aufgewachsen ist.

Das Land urbar machen ist eine große Aufgabe. Ackerboden schaffen, Menschen eine Arbeit und Heimat geben – dafür braucht es Pioniere mit Wissen und Stehvermögen. Der Kurfürst aus Hannover schickte im Jahr 1751 Jürgen Christian Findorff als Moorkolonisator ins Teufelsmoor, ein Gebiet nordöstlich von Bremen. Findorff war durch seine Ausbildung im Wasserbau und der Landvermessung für die Aufgabe bestens gerüstet.

Fürs heutige Auge ist das Teufelsmoor eine wunderschöne Landschaft mit einem ganz besonderen Licht. Das Licht lockte Ende des 19. Jahrhunderts junge Künstler nach Worpswede, den zentralen Ort der Gegend; die Künstlerkolonie wurde weltberühmt.


Moor Landwirtschaft
Bei der Renaturierung von Mooren geht es auch darum, zwischen der Landwirtschaft und dem Naturschutz einen Ausgleich zu finden.
Findorff-Denkmal-Worpswede
Auf dem Weyerberg in Worpswede steht das Denkmal für den Moorkolonisator Jürgen Christian Findorff – im Jahr 1799 von „Freunden und Verehrern“ eingeweiht.

Denkmäler und fleischfressende Pflanzen 

Vor 250 Jahren wird Moorkolonisator Findorff kaum ein Auge für Landschaft oder Licht gehabt haben. Zusammen mit der Landesverwaltung wird geplant, es werden Grundstücke vergeben und Gräben oder Kanäle gezogen. Ziel ist es, das Moor soweit trocken zu legen, dass man es für die Landwirtschaft nutzen kann. Die Arbeit ist schwer und langwierig, alles ist feucht und nass. Für Generationen von Moorbauern gilt der Satz: Dem ersten den Tod, dem zweiten die Not und dem dritten das Brot.

Der Vater aller Moorbauern gründete Dörfer und baute unter anderem die Worpsweder Zions-Kirche. Über Findorffs Verdienste hörten wir Mitte der 60er Jahre von unserer Lehrerin. Mit ihr gingen wir auf den Weyerberg, um den sich Worpswede schmiegt. Auf dem Berg, eine Sanddüne aus der Eiszeit und eher eine leichte Erhebung in der flachen Landschaft, wurde uns das 1799 eingeweihte Findorff-Denkmal erklärt.

Eine Findorffstraße gibt es auch. Wir erkennen: Noch vor sechzig Jahren wurde das Urbarmachen gefeiert, das Bändigen der Natur. Dazu passte das Image des Moores als ein unheimliches Stück Natur mit gruseligen Moorleichen und fleischfressenden Pflanzen.

Moore wurden überall als Gebiete angesehen, die man besser für Besiedelung und Landwirtschaft gewinnt. Ein weiterer Nutzen war der Torfabbau.

Heute wissen wir mehr darüber und handeln aus guten Gründen anders.


Moore als wirksame Klimaschützer 

Schon seit 1971 gibt es die Ramsar-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten. Sie ist eines der ältesten internationalen Übereinkommen, die den Erhalt und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen sichern sollen.

Der Schutz von Mooren ist besonders für den Klimaschutz wichtig. Obwohl Moore nur etwa drei Prozent des weltweiten Festlandes einnehmen, binden sie 20 bis 30 Prozent der gesamten Kohlenstoffvorräte aller Böden – mehr als alle Wälder zusammen. Zudem binden Moore im Torf die Nährstoffe Phosphor und Stickstoff. Zusätzlich sind sie der Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen, darunter viele bedrohte Arten.

Werden Moore trockengelegt, sinkt der Wasserspiegel, und die sonst sauerstofffreien Böden werden belüftet. Dadurch werden Nährstoffe und Treibhausgase freigesetzt. Die ARD-Tagesschau hat die Daten verglichen: Etwa 53 Millionen Tonnen Treibhausgase entweichen in Deutschland jährlich aus trockengelegten Mooren. Die Redakteure errechneten, dass das etwa sieben Prozent unserer Gesamtemissionen entspreche – und damit mehr, als der innerdeutsche Flugverkehr verursache.


Moor Beschreibung
Moor Beschreibung
Moor Beschreibung

Naturschutz und Landwirtschaft

Im November 2022 beschloss das Bundeskabinett die Nationale Moorschutzstrategie. Mit ihr sollen Moore renaturiert und die Menge der Treibhausgase verringert werden, die beim Austrocknen von ihnen emittiert werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Wiederherstellung von Mooren bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung. Konflikten zwischen der Landwirtschaft und dem Naturschutz soll damit vorgebeugt werden. Die Diskussion wird weitergehen, denn im Juni 2024 beschloss die Europäische Union ein umfassendes Renaturierungsgesetz, das auch die Wiedervernässung von Mooren enthält.

Das Vorhaben ist anspruchsvoll, denn auf Moorboden können Kühe nicht laufen und Trecker nicht fahren. Die Landwirtschaft befürchtet hohe Verluste. Der Deutsche Bauernverband schrieb im November 2022: „Die Nutzung von Mooren zur heimischen Lebensmittelproduktion war noch vor einigen Jahrzehnten ein staatlich gefördertes Ziel.“ Man kann auch sagen: seit dem Kurfürsten und Jürgen Christian Findorff vor 250 Jahren. 


Photovoltaikanlagen und Pilotprojekte

Für die Elektrobranche ist die Idee interessant, auf renaturierten Mooren Photovoltaikanlagen zu betreiben, was auch der Bauernverband gut findet. Aber abgesehen davon: Auch für die Forschung und alle, die praktisch an der Renaturierung arbeiten, ist es anspruchsvoll. Einfach nur nass machen geht nicht, denn Moore sind unterschiedlich und die vielen Wechselwirkungen in den Ökosystemen sind komplex. Es gibt keine Lösung vom Reißbrett, die überall funktioniert. Anfangen und lernen, heißt die Devise.

So starten viele Pilotprojekte und Initiativen. Kürzlich haben sich große Unternehmen in einer „Allianz der Pioniere“ zusammengetan, um Moore zu renaturieren und wirtschaftlich zu nutzen. Das wird Paludi-Kultur genannt. Zur einfachen Erklärung des Begriffs: Der Sumpf heißt auf Italienisch „la palude“, die Sümpfe heißen „le paludi“.

Diese Allianz der Pioniere verbindet damit eine weitere Absicht: Mit dem Vorhaben sollen sechs der „Sustainable Development Goals“  der Vereinten Nationen erreicht werden. Damit können die beteiligten Unternehmen unter anderem leichter Teile der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfüllen, die durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auf sehr viele Unternehmen zukommen.


Sonnentau im Moor

Familienunternehmen und Nachhaltigkeit

Seit Ende 2022 unterstützt die FEGIME die Renaturierung der Felgentreuer Wiesen, ein Moorgebiet in Brandenburg. Es liegt sechzig Kilometer südlich von Berlin (wo es im Ortsteil Köpenick ebenfalls ein Teufelsmoor gibt). Die Marktgemeinschaft ist Klimapate für zehn Hektar Moorlandschaft, was ungefähr der Fläche von vierzehn Fußballfeldern entspricht.

Durch Kontakte zum Mittelstandsverbund sei die Beteiligung zustande gekommen, die so gut zum Start der Nationalen Moorschutzstrategie passt, berichtet Arnold Rauf, Geschäftsführer der FEGIME. „Bei einem Treffen des Mittelstandsverbunds wurde das Projekt ’Mittelstand & Moor‘ präsentiert und dabei zündete ein Funke“, so Rauf. Verschiedene Entwicklungen passten zusammen: Erstens war die Marktgemeinschaft gerade auf dem Weg, die Nachhaltigkeit als strategisches Ziel festzulegen; zweitens hatte in der Nürnberger Zentrale Natascha Hahn, sonst Spezialistin für Produktdaten, eine einschlägige Fortbildung absolviert.


FEGIME und die Freude über die Feldlerche

Und drittens passt eine mittelständische Eigenschaft bestens zu den Zielen Nachhaltigkeit und Naturschutz: Mittelständische Familienunternehmen denken in Generationen und an die Zukunft. Als das Projekt in den Gremien der Marktgemeinschaft vorgestellt wurde, stimmten alle sofort zu. „Aus Überzeugung und ohne großes Kalkül sind wir einfach gestartet“, erzählt Natascha Hahn.

„Gewiss werden wir prüfen, ob wir mit unserem Engagement zukünftig einige CSRD-Berichtspflichten leichter erfüllen können“, sagt Arnold Rauf. „Aber aktuell freuen wir uns über erste Erfolge.“ Das Projekt Mittelstand & Moor hat im Frühjahr 2024 ein erstes Fazit über die Fortschritte gezogen. Alle Partner freuen sich über die Wiederkehr der Wildkatze, über Wolfswelpen oder Seeadler sowie das Gedeihen der fleischfressenden Pflanze Sonnentau. Die jüngste Meldung: Die Feldlerche, Vogel des Jahres 2019 und als gefährdet eingestuft, wurde ebenfalls wieder gesehen.

Nachhaltig langer Atem ist gefragt, denn erste Effekte zeigen sich erst nach Jahrzehnten. Bis ein Moor wieder komplett renaturiert ist, kann es Jahrhunderte dauern.

Autor: Axel Peters


Moor
Blaue Frösche im Moor